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Warden Of The North

Immer wieder berichten Fotografen von ihren Reisen in die Polarregionen und dass sie entweder gar keine Eisbären zu Gesicht bekommen haben oder aber nur s.g. Binocular-Bears, also Eisbären in mehreren Kilometern Entfernung, die man mit bloßem Auge nicht sehen kann. Auch mir ging es so, als ich letztes Jahr im April auf einem Schiff in Svalbard unterwegs war und anschließend im November in Churchill Manitoba. Ich habe bereits zwei Reisen unternommen auf der Suche nach „meinem Porträt“ von einem Eisbären. Es ist nicht leicht, sich wieder neu zu motivieren, einen weiteren Versuch zu machen, wenn die bisherigen Erfahrungen so unglaublich schlecht waren und die Bedingungen scheinbar nicht zu ändern sind. Wäre ich „nur“ unzufrieden mit „meinen persönlichen Ergebnissen“ eines Portraits gewesen, wäre es leichter. Aber die Erfahrung, dass viele Tage auf der Suche nach Eisbären vollkommen ergebnislos bleiben, frustriert.
Ich stieß auf Roie Galitz, einen super erfahrenen Wildlife-Fotografen, der professionelle Expeditionen an Orte in der ganzen Welt organisiert und auch seit vielen Jahren in die Polarregionen. In einer sehr kleinen Gruppe brach ich wieder auf nach Svalbard, diesmal bewegten wir uns allerdings nicht auf einem behäbigen Schiff, auf dem die Guides nur die Küsten absuchen können, um nach Eisbären zu suchen – wir legten in 6 Tagen fast 1.000 Kilometer auf Snowmobilen im Innern dieser riesigen Inselgruppe zurück – unser Behind-The-Scenes-Clip gibt hierzu einen Einblick.
Das Erleben dieser einzigartigen Natur, welche seit tausenden von Jahren unberührt ist, mit Gletschern von über tausend Metern Höhe und stündlich möglichen Wetterwechseln hat mich so sehr geflasht, wie ich es mir vorher niemals hätte vorstellen können. Etwa 350 dieser größten und gefährlichsten Landraubtiere leben in Spitzbergen auf einer Gesamtfläche, die doppelt so groß ist, wie Belgien – der Gedanke allein, magisch und unbeschreiblich faszinierend.
Unsere zwei Arctic-Guides sind Vollprofis, die normalerweise bei BBC- und Disney-Produktionen im Einsatz sind.
Das Wetter war größtenteils perfekt und mit Willem an meiner Seite, der mich nicht nur mental sondern auch mit der Camera für unsere Dokumentation der Reise begleitet hat, hatte ich also die besten Voraussetzungen für mein Vorhaben. Und tatsächlich, wir haben jeden Tag Eisbären gefunden und Zeit mit ihnen verbringen können, teilweise über viele Stunden.
Die Gefahr: Ein Eisbär macht vor nichts halt, er greift alles und jeden an, ohne Ausnahme und immer mit dem Ziel, zu fressen. Wenn ein Eisbär über mehrere Kilometer hinweg eine Witterung von Beute aufnimmt, macht er sich auf den Weg. Manche haben sich sogar darauf spezialisiert, Rentiere zu jagen und zu erbeuten.
Wir mussten also einen sicheren Abstand von mehreren hundert Metern einhalten. Die ersten Tage war es schwer, mich weiter zu motivieren und zu fokussieren – feierte der Rest der Gruppe allein schon das Finden der Tiere überhaupt, war ich unzufrieden mit der scheinbaren Unmöglichkeit, „mein Portrait“ mit Augenkontakt machen zu können.
Eines Nachmittags erspähten wir einen wunderschönen, sich majestätisch bewegenden und vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden, ausgewachsenen männlichen Eisbären, der den 40 km langen und komplett zugefrorenen Dickson-Fjord durchwanderte. Dies war mein Moment. Der verantwortliche Guide entschied, mit mir einen einzigen Versuch zu machen: allein auf einem Schlitten sitzend, angehängt an seinen Scooter fuhren wir näher heran. Der Rest der Gruppe blieb in sicherer Entfernung, mit dem ebenfalls bewaffneten 2. Guide. Ich stieg vom Schlitten und legte mich flach auf den Bauch. Je näher er kam, desto mehr änderte er leicht seinen Kurs. Der mächtige Jäger hatte ein Breathing-Hole einer Robbe erspäht, was mich zum einen etwas entspannte, denn ich hatte etwas länger Zeit liegen zu bleiben – gleichzeitig hatte ich Sorge, dass ich keinen direkten Augenkontakt mehr mit ihm bekommen würde. Jetzt trennten uns nur noch etwa 50 Meter. Die Camera auf dem Boden, die Finger vor Kälte beinahe erstarrt, platzte ich fast vor Anspannung als ich durch den Sucher sah, wie er mich noch einmal kurz in sein Visier nahm, bevor er sein fokussiertes Ziel, ein ca. 50cm großes Loch im Eis erreichte. Mit seinem Blick machte er mir unmissverständlich klar, dass ich eine leichte Beute gewesen wäre. Du bist der Wächter des Nordens! Danke – für diesen unbeschreiblichen Moment!